Netzhautablösungen aufgrund von PVR

Fafner @, Freitag, 20. Dezember 2013, 13:21 (vor 3773 Tagen)
bearbeitet von Fafner, Freitag, 20. Dezember 2013, 13:47

Liebe Netzis und Netzinen,

nach meinen bisher 6 Netzhaut-OPs im vergangenen halben Jahr habe ich einiges über eine wichtige Ursache für Wieder-Ablösungen nach erfolgter Anlegung der Netzhaut gelernt: Die Proliferative Vitreoretinopathie, kurz PVR. Hier im Forum wird diese Krankheit zwar dann und wann erwähnt, aber ich würde gerne mit euch meine etwas systematischeren Einsichten hierzu teilen. Die PVR spielt vor allem bei den ominösen und mysteriösen Ablösungen unter Silikonöl eine große Rolle, von denen ich bereits drei hatte.

Man liest übereinstimmend in vielen Veröffentlichungen, dass 5-10% aller Netzhaut-OPs mit Vitrektomie aufgrund einer Wieder-Ablösung (Re-Ablatio) im Endeffekt erfolglos bleiben. Interessant war für mich folgende Zahl: ca. 70% aller Wieder-Ablösungen gehen auf das Konto der PVR zurück. Damit ist die PVR keineswegs eine super-exotische Erscheinung. Man liest auch, dass es für Augen-Chirurgen erste Priorität ist, ein Mittel gegen die PVR zu finden - leider bisher im Prinzip erfolglos.

Was passiert bei der PVR? Zellen des retinalen Pigmentepithels (RPE-Zellen), die eigentlich unter der Netzhaut sein sollten, treten durch die Ablösung in den Glaskörperraum und sammeln sich an, oft aufgrund der Gravitation unten im Auge - dort wo obendrein meist auch kein Druck durch das Tamponade-Material ausgeübt wird. Die Zellen beginnen sich zu vermehren und bilden Membranen oder Stränge, die an der Netzhaut anhaften, beginnen sich zusammenzuziehen und die Netzhaut schließlich wieder ablösen. Und dieser Prozess kann schnell gehen - bei mir war einmal bereits eine Woche nach der vorherigen PPV mit Öl wieder ein neuer Strang gewachsen. Statistisch bilden sich PVR-Membranen in den ersten 6-12 Wochen nach einer OP.

Die Ablösung aufgrund von PVR ist oft anders, als die primäre Ablösung. Viele haben die laienhafte Vorstellung (mich eingeschlossen), dass die Netzhaut wie eine Tapete mit Kleister am Untergrund befestigt wird und sich unter Silikonöl kaum lösen kann, weil sie doch hingedrückt wird. Tatsächlich finden sich die PVR-Membranen meist ganz woanders, als das ursprüngliche Loch oder der Riss war. Und eine Ablösung aufgrund von PVR muss auch nicht unbedingt ein neues Loch in die Netzhaut reißen - es reicht, dass die Netzhaut durch das Schrumpfen der PVR-Membranen in Falten gelegt wird.

Es gibt einige Faktoren, die die Bildung von PVR nach einer Netzhaut-OP begünstigen:
- Längeres Bestehen der Ablösung vor der OP
- Vorhandensein größerer Löcher oder gar Risse
- Einsatz von Kryokoagulation (Kältebehandlung)
- Tamponade mit Silikonöl
- Entzündungen des Auges
- Aphakie (Linsenlosigkeit)
- Relativ junges Alter

Mich stört an den Ärzten (oder zumindest an denen, die mich behandeln), dass sie den Patienten scheinbar vor Fachbegriffen schützen wollen. So habe ich nie (außer beim heimlichen Abfotografieren der OP-Berichte) direkt etwas von PVR gehört. Für mich waren meine Ablösungen unter Öl völlig rätselhaft und ich habe mich versucht, immer weniger zu bewegen, weil ich dachte, die Tapete würde sonst trotz Öl wieder herunterkommen. Welch ein Irrglaube! Die Ärzte sprechen im Zusammenhang von PVR gerne von "Narben" oder "Vernarbungen". Auch dies finde ich so vereinfacht, dass es schon falsch ist. Bei Narben denkt man als Laie erstens eher an etwas positives (Heilung, Stabilität) und zweitens denkt man fälschlicherweise, dass es sich genau um den Ort des ursprünglichen Netzhautschadens handelt.

Langer Rede kurzer Sinn: Gegen PVR gibt es kein Mittel (z.B. keine Medikamente) und manche Menschen sind eher dafür prädisponiert. Eine Ablösung wegen PVR bedeutet auch nicht, dass die Netzhaut "nicht gehalten hat" ("zu wenig Kleister..."), sondern ist eine ganz andere, sekundäre Erkrankung.

Viele Grüße,
Fafner


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